85. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 1938: Mit einer bewegenden Veranstaltung wurde am Donnerstagabend am Platz der Einheit, am Standort der ehemaligen Synagoge neben der Hauptpost, den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Am Vormittag hatte zudem eine Begehung des Jüdischen Friedhofs auf dem Pfingstberg stattgefunden. Brandenburgs Wissenschafts- und Kulturministerin fand dabei klare Worte: “„Warum erinnern wir jedes Jahr an die Pogrome vom 9. November 1938? Weil es geschehen ist und folglich wieder geschehen kann. Das hat der 7. Oktober 2023 auf tragische Weise gezeigt. Die Umstände mögen sich unterscheiden – doch beiden Gewaltexzessen liegt der blindwütige Hass auf Jüdinnen und Juden zugrunde, die Unfähigkeit zur Empathie, der Wille zu Tod, Zerstörung und Leid”, sagte Manja Schüle.
“Heute, 85 Jahre nach den Novemberpogromen 1938 und wenige Wochen nach den Terrorangriffen der Hamas, gilt es zusammenzustehen gegen diejenigen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben. Zusammenzustehen für ein friedliches Miteinander und ein angstfreies Leben in unserem Land. Denn: Nie wieder ist jetzt”, so Manja Schüle.
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert unterstrich die Bedeutung des Friedhofs. „Der jüdische Friedhof Potsdams, 1743 angelegt, verkörpert für und in der Landeshauptstadt Brandenburgs das jüdische Ewigkeitsrecht. Die ritenkonforme Bestattung nimmt im jüdischen Glauben eine tragende Säule in der Religionsausübung war. Daher ist es selbstverständlich, dass ein solcher Ort niemals aufgegeben oder gar eingeebnet werden darf", sagte er. "Gerade im Bewusstsein unserer deutschen Geschichte möchte ich das hier und heute noch einmal betonen. Die Übertragung des an den jetzigen Friedhof angrenzenden Flurstücks ist damit letztlich auch ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt des jüdischen Lebens in Potsdam.“
Der weltbekannte Violinist Daniel Hope war ebenfalls bei der Begehung dabei. Er ist mit dem Jüdischen Friedhof in besonderer Weise verbunden, da einer seiner Vorfahren, der erste Rabbiner Potsdams, Michel Hirsch (Jechiel Michel), hier begraben liegt. Daniel Hope sagte: “Die Bewahrung unseres jüdischen Erbes und die Erinnerung daran ist mir ein besonderes Anliegen. Ich wünsche mir ebenso, dass wir alle in Frieden und Toleranz miteinander leben können."
Susanne Krause-Hinrichs, Vorstandsmitglied des Fördervereins Jüdischer Friedhof Potsdam und Mitinitiatorin der Veranstaltung zeigte sich entsetzt darüber, dass im Alltag wieder zunehmend antisemitische Stereotype und Parolen Platz finden. „Um diesen Alptraum der Jüdinnen und Juden zu beenden, muss sich Politik - aber vor allem auch die Zivilgesellschaft - dem sich täglich verschärfenden Antisemitismus klar und nachhaltig entgegenstellen. Dies bedarf einer großen gemeinsamen Anstrengung auf allen gesellschaftlichen Ebenen", so Susanne Krause-Hinrichs.
Mitveranstalter und Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Potsdam Evgeni Kutikow sprach die traurige, neue Lebensrealität von Juden in Brandenburg an: „Ich hätte damals nie gedacht, dass wir unsere Gemeinde hinter Stacheldraht und Betonklötzen verstecken müssen. Dass wir Angst haben müssen, um unsere Kinder, die in der Schule oder an der Universität als Juden erkannt und ausgegrenzt oder gar bedroht werden.“
Darüber hinaus bedauert es Kutikow zutiefst, dass bis heute noch immer kein Antisemitismusbeauftragter für das Land Brandenburg berufen wurde - ein Ansprechpartner für die jüdischen Gemeinden, der in diesen Tagen mehr denn je gebraucht wird.
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