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Hallo Potsdam!

HalloPotsdam
  • Erstellt: 17.07.2019 / 14:59 Uhr von at
Sebastian Wedow kommt aus einer Berliner Musikerfamilie, betreibt mit seiner Partnerin die Ölmühle in Werder und und hat sich schon immer für alternative Themen interessiert. Nun hat er ein neues Projekt in der Waldstadt angestoßen und einen Lebensraum Waldstadt n.e.V. gegründet, indem er neben Kaffee und Kuchen auch einen Vereinsraum zur Nutzung anbietet.
MP: Herr Wedow, worum geht es in ihrem Verein?
SW: Für mich ...

... gibt es so eine Idee vom Leben, die haben wir nicht erfunden. Das ist eine chinesische oder afrikanische Weisheit: „Wenn an vielen kleinen Orten, viele kleine Menschen viele kleine Dinge tun, verändert sich das Gesicht der Welt.“ Was kann der Einzelne tun? Im Großen und Ganzen fühlt er sich immer ohnmächtig. Letztendlich, die Natur macht es vor und ich komme auch so ein bisschen aus dem Feld, wo ich sage, naja, ein Kiez ist immer wie ein kleiner Organismus. Jung, Alt, Mittelalt, verschiedene Menschen, verschiedene Ideen, man lebt zusammen, hat aber keine Räume mehr dafür. Es gibt Begegnungsstätten für alte Menschen, die sitzen ohnehin immer schon miteinander. Aber einen Raum zu schaffen, wo sich Jung, Alt und alle Mentalitäten begegnen können ohne monetären Zwang, das war die Idee. Einen Vereinsraum zu schaffen, wo man Fußball oder Schach zusammen spielt. Einen Lebensraum in ein Vereinskleid zu packen, ist zwar schon immer möglich gewesen, aber keiner hat es getan. Da gehört etwas Know How dazu und auf deutsch gesagt ein bisschen „Arsch in der Hose“.

MP: „Arsch in der Hose“ vor allem vor der finanziellen Herausforderung?
SW: Ja, vor der finanziellen Herausforderung und letztendlich vor dem mitmenschlichen Miteinander, weil wir alle tief eingegraben sind, in „Ich bezahle dich, dann machst du was für mich“. Aber ein ganz ursprüngliches Miteinander, was ja eigentlich auch Freude macht, in der Natur des Menschen liegt und wo man nicht immer sagt „Die zwei Euro reichen jetzt nicht. Sorry, aber hier kriegste nichts dafür!“. Wo soll der Mensch noch hinlaufen hier.
Ich hatte hier einen Kunden, der hatte ein unglaubliches Problem damit gehabt, mit diesem nicht mehr bezahlen dürfen. Wie finanzieren sie sich denn hier, hat er gefragt. Wir tragen uns miteinander, das muss ins Bewusstsein kommen. Der Kunde hat mir 20 Euro auf den Tisch gelegt, wo er draußen im Café irgendwo 3,50 Euro bezahlen würde. „Das ist meine Zuwendung heute – für die Vereinskasse.“, hat er gesagt. Das ist überdimensioniert, habe ich gesagt. „Nenenene, ich habe das schon verstanden.“, hat er geantwortet. Das Verständnis dafür muss wachsen.

MP: Das heißt, man zahlt hier gar nicht?
SW: Nein, wir haben hier keine Preise mehr. Sie bekommen von uns beispielsweise ein Stück Kuchen als Zuwendung vom Verein. Jetzt fragen sie, wie finanziert ihr das? Miete, Personalkosten? Sie dürfen gerne für das was sie hier im Vereinsleben in Anspruch nehmen oder auch vielleicht einbringen, eine Zuwendung nehmen oder geben. Am Ende des Tages werden sie feststellen, dass dies für alle günstiger ist. Wir brauchen alle nicht mehr soviel Geld zum Leben. Wir zahlen als Verein auch Steuern. 19 Prozent, das muss reichen für die Schlösserbauer, sage ich immer. Wenn das nicht reicht, dann läuft etwas verkehrt.

MP: Was lief denn so verkehrt, das sie neben der Ölmühle in Werder jetzt auch noch das Vereinsleben umkrempeln wollen?
SW: Mit unserer Ölmühle haben wir uns gut entwickelt, sind in Potsdam auf dem Markt, in Zehlendorf und machen noch so ein paar Sonderaktivitäten. Wenn dann jemand zu uns an den Stand kommt und fragt, was tut das Schwarzkümmelöl denn mir Gutes, dann sage ich: „Ich weiß zwar viel, aber ich darf es dir nicht sagen. Weil ich hier ein Öl verkaufe und als Lebensmittel hat das Öl gesundheitlich keine Auswirkungen … - laut Amt. Das ist alles so reglementiert – Apotheke, Pharma, Medizin, Lebensmittel. Und da habe ich gedacht, Mensch wir müssen doch mal wieder einen Raum schaffen, wo wir miteinander reden dürfen und das ist ein Vereinsraum. Also machen wir hier auch Veranstaltungen zu Themen, die sonst vielleicht nicht so offen besprochen werden können. Darüber haben wir einigen schon Impulse geben können, das es ihnen jetzt viel besser geht. Und das spricht sich natürlich herum.

MP: Man muss aber nicht Vereinsmitglied werden?
SW: Man wird in dem Moment Vereinsmitglied, wenn man den Vereinsraum betritt und wenn sie ihn wieder verlassen, sind sie wieder raus. Wenn man sein Leben in ein Vereinskleid packt, hat man viele Vorteile.

MP: Herr Wedow, jetzt mal weg vom Verein. Werder oder Potsdam, was ist denn nun schöner und wo ist der schönste Fleck?
SW: Schöner im allgemeinen Spektrum der Dinge ist für mich Potsdam und der schönste Fleck, so spontan gesagt, der Heilige See.

MP: Was kann wie in Potsdam besser werden?
SW: Ich bin absolut müde von politischen Themen und Parteigeschehen. Mich interessiert das alle nicht mehr.Da dürfen sich einige Menschen, die sich in dieser Welt bewegen, mal ganz radikal an die Nase fassen und überlegen, warum sie das machen, was sie da machen und für wen. Parteiübergreifend. Ich glaube das keiner mehr, der da in diesem Schlossrondell sitzt weiß, was auf der Straße los ist. Wirklich, vollkommen irre. Aber das ist nicht nur in Potsdam so, aber die Stadt ist eigentlich klein genug, dass man das wissen könnte. Ich kann das alles nicht mehr nachvollziehen.
Ich finde Potsdam ansonsten eigentlich schön und gut so. Wenn sie mir hier ein Glas zur Hälfte mit Wasser gefüllt hinstellen, dann ist das für mich halbvoll. Ich schaue eigentlich immer auf die Sachen, die schön sind und Sinn machen. Um die anderen Sachen sollen sich die anderen kümmern. Ich bin halt gern mit Menschen zusammen, deshalb stehe ich auch auf dem Markt. Ein soziales und gesellschaftliches, kein politisches Miteinander interessiert mich.

MP: Noch ein Tipp oder ein Wunsch an die Potsdamer.
SW: Wer sich für das Thema Öl interessiert, der darf gern mal zum Markt an das Nauener Tor kommen. Nein, ich würde mich freuen, wenn in das was wir hier machen, alle mal reinschauen und sagen, das möchte ich an anderer Stelle in der Stadt auch haben. Und da bin ich auch gern bereit Impulse und Wissen weiterzugeben.

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